Leitartikel

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# Gemeindebrief

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Was ist eigentlich „Gemeinde“?

1. Einleitung

Kinderleicht, sagt Martin Luther, sei diese Frage. Welche Frage denn? Na, die Frage, was die Kirche sei! „Denn es weiß, gottlob, ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei, nämlich die heiligen Gläubigen und die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören!“

Das also ist im Kern Gemeinde Jesu: Eine Versammlung  von Menschen, die auf Jesus hören und ihm glauben. Wirklich kinderleicht!

Dass dieses Wissen der Kinder nicht ganz verloren gegangen ist, zeigt ein neueres Zeugnis kindlicher Theologie. Es beleuchtet auch noch einen anderen Aspekt dessen, was Gemeinde Jesu ist.

„Ein Arztkind wüsste zu gern, wo nun der liebe Gott ist: in der Kirche oder im Himmel. Aufmerksam hört es den Erklärungen zu. „Ach, so!“ ruft es schließlich erfreut. „Jetzt weiß ich’s, er wohnt im Himmel aber in der Kirche hat er seine Praxis.“

Er wohnt im Himmel, aber in der Kirche hat er seine Praxis. D.h. in der Gemeinde kommen nicht nur Menschen zusammen, die an Jesus glauben und sein Wort hören; sie ist vielmehr so was wie eine Arztpraxis Gottes. Da kommen Kranke hin, weil sie gehört haben, dass es dort Hilfe gibt, Zuwendung, Hilfe und Heilung für den ganzen mühseligen und beladenen Menschen. Kinder wissen wirklich viel.

Gemeinde ist, wie es die Alten sagten, ein Ort der Sammlung unter Jesu Wort und ein Ort der Sendung zu den mühseligen und beladenen Menschen. Gemeinde macht den Himmel auf Erden erlebbar und erfahrbar.

2. Was sagt z. B. der Kolosserbrief über die Gemeinde?

Ein Blick auf das Neue Testament bestätigt uns diese ernsten Einsichten, nehmen wir nur beispielhaft den Kolosserbrief. Da betet der Apostel Paulus für die „Heiligen in Kolossä, die gläubigen Brüder (und Schwestern) in Christus“ (Kol 1, 2). Was zeichnet die Gemeinde aus? Offenbar zunächst Glaube, Liebe und Hoffnung.  Nicht Gebäude, Ämter, Strukturen und Finanzen, sondern Glaube, Liebe und Hoffnung.

In der Gemeinde hat der Glaube an Jesus Christus seine Heimat, weil die Glieder der Gemeinde „versetzt“ worden sind, und zwar von der Macht der Finsternis in das Reich des „lieben Sohnes"(Kol 1, 13) durch die Vergebung der Sünden. Kein Individualismus. Wer an Jesus glaubt, gehört auch zu den kleinen Schwestern und Brüdern Jesu. So wird die Gemeinde als Heimat des Glaubens auch zur Grundschule des neuen Menschen. Was gilt es zu lassen? Was gilt es zu tun? Von der Gemeinde geht auch eine Erneuerung für das gesellschaftliche Leben der Christen in ihrer Ehe, in der Familie in den gesellschaftlichen Beziehungen (Kol 3, 18-41). Gemeinde ist auch eine „Kleiderkammer“. Da kann ich die Klamotten des alten Menschen zurücklassen und bekomme die neuen Kleider der Liebe (Kol 3, 5-17) . Darum hat in der Gemeinde auch die Liebe ihre Heimat, und zwar zuerst die Liebe zu den „Heiligen“ als geschwisterliche Gemeinschaft im Hören, Beten, Feiern und Arbeiten. Da soll Christi Wort reichlich wohnen können, und die Antwort im Loblied der Gemeinde laut werden (Kol 3, 16).

Es ist keine Liebe ohne Schatten. Da muß um die Wahrheit des Evangeliums gerungen werden, auch gegenüber möglichen Irrlehren (Kol 2, 8). Da wird einer dem anderen schon mal zur Zumutung, und darum geht es nicht ohne gegenseitige Vergebung und den Willen, auch  den schwierigen Bruder und die unbequeme Schwester anzunehmen und sei es nur, um sie zu ertragen (Kol 3, 13). Die Einigkeit im Geist ist nicht fraglos vorhanden: Sie ist Gegenstand der apostolischen Ermahnung (Kol 3, 14). Und die Liebe der Gemeinde darf nicht bei sich bleiben: der Apostel zieht die Christen in sein Amt hinein, das Wort auch den Heiden, denen, die noch nicht glauben, reichlich zu predigen. Im Gebet der Gemeinde soll es breiten Raum einnehmen, Gott möge doch eine Tür auftun für das Geheimnis Christi bei den Heiden (Kol 4, 3). Mehr noch, die Christen in Kolossä sollen selbst bereit sein, freundlich und deutlich Außenstehenden Rechenschaft über ihren Glauben zu geben. Und schließlich ist die Gemeinde ein Ort der Hoffnung. Hoffnng hat ihre Heimat in der Schar der Jünger und Jüngerinnen Jesu, die schon jetzt auf die unsichtbare Welt Christi ausgerichtet sind (Kol 3, 1-4).

3. Gemeindeaufbau unter Gottes Wort

Wir haben die Berufung am Gemeindeaufbau mitzuarbeiten. Jesus Christus ruft uns, je nach unseren Gaben, in seinen Dienst. Zu dieser Berufung gilt es neu umzukehren. Vielleicht haben wir sie im Gerangel der Termine, Konflikte, Strategien und Eitelkeiten schon längst vergessen.

4. Schritte zum Aufbau

4.1 Zurück zu Maria

Da kommt Jesus in das Haus von Martha und Maria. Und Martha stellt sofort alles auf den Kopf, um Jesus und seinen Jüngern zu dienen. Maria dagegen setzt sich zu Jesu Füßen und hört ihm zu (Lukas 10, 38-42).

Natürlich ärgert es uns, dass Martha immer so schlecht wegkommt, sie ist schließlich eine rührige Mitarbeiterin. Fleißig und immer in Bewegung. Maria ärgert uns eher wie sie da sitzt und zuhört, anstatt anzupacken und mitzuhelfen. Es ist eine einseitige Geschichte, die Lukas erzählt. Davor hat er die Geschichte vom barmherzigen Samariter erzählt, von den Frommen, die auf dem Weg zum Gottesdienst den unter die Räuber Gefallenen einfach liegen lassen (Lk 10, 25-37). Noch so eine einseitige Geschichte.

Worum geht es?

Es geht um die Unterscheidung der Zeiten.  Wenn Jesus redet, dann gibt es nur eines, nämlich zuhören, still werden, sich von Jesus dienen lassen. Und wenn ein Mensch unter die Räuber fällt, gibt es nur eines, nämlich zupacken, aktiv werden, dem Menschen dienen. Ora et labora. Bete und arbeite. 

Wir brauchen die Zeit des Hörens und des Betens um vor Gott still zu werden und zu fragen, was denn dran ist im Gemeindeaufbau. Wir können uns nicht, auch nicht im Jubiläumsjahr, in alle möglichen Aktivitäten stürzen, um dann erschöpft am Boden zu liegen. Warum kommen wir nicht einfach mal zu einem stillen Wochenende zusammen? Einfach nur, mit Gott und miteinander reden, ohne Tagesordnung, still werden und den Kopf  und das Herz wieder freibekommen, für den, der uns in den Dienst stellt. Wir brauchen für uns selbst Zeiten des Gebetes, des Bibellesens, der Lektüre geistlicher Bücher. Wir Marthamenschen können da viel von Maria lernen. Das gute Teil ist es, dem Herrn zu Füßen zu sitzen und ihm zuzuhören. Der Klangwort-Gottesdienst ist eine gute Möglichkeit. Der Gemeindenachmittag unter dem Wort. Der Gottesdienst.

Klaus Vollmer hat das so ausgedrückt: Die Erneuerung unserer Kirche beginnt nicht mit unseren Taten sondern mit einem großen Rückzug. Mit unserem Rückzug auf das Geheimnis des gekreuzigten Jesus, mit der Rückbesinnung auf sein Wort. Dass wir mit viel Ruhe Gottesdienst feiern, mit Freude die alten und die neuen Lieder singen. Dass uns das Abendmahl wichtig wird. Dass wir Zeit haben zum Gebet. Dass wir die Beichte wiederentdecken. Wie gut, wenn Gott einem anderen das Wort der Befreiung in den Mund legt: Dir sind deine Sünden vergeben. Dass wir Zeit haben zu einem ruhigen seelsorglichen Gespräch, in dem der ganze Schrott aus unserem Leben herausgeräumt werden kann.

4.2 Versöhnung unter Christen oder der Umgang miteinander

Für den Herrn der Gemeinde ist es ein Schmerz und für die Welt, ein Hindernis zu glauben, dass die Frommen so uneins sind. Versöhnung bedeutet nicht, dass ich nun plötzlich meine Überzeugungen über Bord werfen muss und alle Anfragen des anderen unter den Teppich kehren soll. Versöhnung bedeutet aber, nicht negativ übereinander zu reden, sondern das Gespräch miteinander zu suchen, über den anderen Gutes zu reden. Den anderen also nicht nach dem Fallobst seiner Überzeugungen, sondern nach seinen guten Früchten beurteilen. Versöhnte Verschiedenheit ist ein Motto aus der Ökumene. Nicht immer einer Meinung, aber eines Sinnes, dass Jesus Christus, uns in seinen Dienst beruft, begabt und beauftragt allzumal.

4.3 Generationenübergreifende Gemeinde

Gemeinde wird im NT oft im Bild des Hauses dargestellt. Dabei ist nicht nur an das Haus der lebendigen Steine zu denken, sondern auch an die Häuser in der Apostelgeschichte, z.B. an das des Kerkermeisters von Philippi. Ihm sagen Paulus und Silas: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig.

Alle im Hause hören daraufhin das Wort, lassen sich taufen und feiern mit festlichem Essen, dass sie zum Glauben gefunden haben. Dieser Bericht zeigt etwas von der generationenübergreifenden Sicht der Gemeinde Jesu.

Wir aber neigen dazu, Gemeinde in Cliquen der Generationen aufzuspalten: dort die Jugend, hier die Alten, dort das heftige Plädoyer für mehr Familienfreundlichkeit, hier das Klagelied der Singles, die sich übersehen fühlen. Gemeinde Jesu soll auch Haus der Generationen sein. Wir brauchen also Räume, in denen alle zusammenkommen, glauben, feiern und arbeiten können.

4.4 Dienende Gemeinde

Die Gemeinde ist so etwas wie die Praxis des lieben Gottes auf Erden. Eine Gemeinde, die nicht nur lebhaft, sondern auch lebendig sein möchte, wird sich nicht irgendwelchen Allmachtsphantasien hingeben, als könne sie nun für jedes Übel eine Lösung anbieten. Aber sie wird sich wie Jesus punktuell in seinen Erdentagen den Kranken, Müden, Belasteten widmen. Sie wird diakonische Gemeinde sein. Weil sie mit offenem Auge lebt, wird sie sehen, wo Not am Mann/Frau ist. Und weil sie aus dem Gebet kommt, wird sie zu einmütigen Entscheidungen kommen.

4.5 Mündigkeit der Laien

Roland (4 Jahre) sieht das so:
Das große Haus mit dem Turm drauf heißt Kirche und dort wohnt der liebe Gott, der heißt Jesus, man kann ihn aber nicht sehen. Dann wohnt dort noch ein anderer lieber Gott, den man aber sehen kann, und der heißt Pfarrer.

Sind wir wirklich darüber hinweggekommen, hauptamtliche Pfarrer/innen wie den lieben Gott anzusehen?

Wie sieht es mit dem Priestertum aller Gläubigen, der Mündigkeit der Laien aus?

Also: Ehrenamtliche finden, fördern und begleiten… sie ihre Gaben entfalten lassen…

der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

 

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